Als Vater durfte ich ihn kennenlernen. Es passiert ganz schleichend, dieses anfängliche Summen von Frau und Kindern, wenn sie wieder von der Krabbelgruppe heimkehren, fällt gar nicht auf. Es bringt sogar eine angenehme Wärme ins Haus. Es dauert nicht lange, da wird aus diesem Summen ein Singen, nun sitzt der Text bei meiner Frau perfekt. Schön! Es wird im Haus gesungen. Die Kinder haben Spaß und lernen viel dabei, ein klarer Gewinn für alle. Im Kindergarten nimmt das alles noch Form an, man merkt dass mit den Kindern viel gesungen wird. Wieder schön!
Nur…es wiederholt sich. Wir sprechen hier von einer mindestens 10-maligen Beschallung pro Tag. Kinder mögen Wiederholungen, unsere beiden sind da besonders motiviert. Das war in meiner Kindheit nicht anders, ich kann mich daran erinnern wie meine Oma mich fragte, ob es denn nun wirklich nötig sei diese Kassette zum fünften Mal einzulegen.
Da singende Kinder den weinenden klar vorzuziehen sind, macht man das alles sehr(?) gerne mit. Es gibt nur einen Haken bei der Sache: Es bleibt hängen. So dass es aus dem Kopf nicht mehr raus will. Diese einfachen Tonfolgen und Texte werden von meinem Gehirn aufgesaugt wie von einem Schwamm. Selten zeigt es sich so saugfähig. Gegen die Klassiker wie „Alle meine Entlein“ sind schon vor einigen Jahren Abwehrzellen entstanden. Aber die neuen Lieder schaffen es, diese Abwehr zu umgehen. Es kommt wie es kommen musste, bei mir begann es morgens auf dem Weg in die Arbeit.
♫ Die Räder an dem Bus drehen sich rundherum, rundherum, rundherum, die Rääääder…♫…die Türen vom Bus gehen auf und zu, auf und zu, auf und zu…♫…durch die ganze Stadt! ♫
Da muss ich schon selber lachen, wenn ich so was um 05:15 Uhr in mein leeres Auto plärre. Nun, ein leeres Auto ist ja eine Sache, ein volles Büro eine ganz andere:
♫ 2 x 3 macht 4 – widdewiddewitt und 3 macht 9e ! Ich mach‘ mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt … ♫
Zack! Schon hatte ich die volle Aufmerksamkeit aller meiner Kollegen. Dummerweise ereilte mich diese Strophe gerade in der Werkstatthalle. Schöner Klang in der Halle, bringt auf jeden Fall Volumen. Das stellt sicher, dass man mich auch in der letzten Ecke hört. Zu meinem Vorteil kennen mich meine Kollegen seit vielen Jahren und wissen dass mein Gehirn unkontrolliert Glückshormone produziert, was zu solchen spontanen Ausbrüchen führt. Was mich aber sehr freut – wer sät, der darf auch ernten. Ein Kaffee später in derselben Halle:
♫ Hey – Pippi Langstrumpf hollahi-hollaho-holla-hopsasa ♫
Aber nicht von mir! Der Kollege den ich infiziert habe, schaut errötet um sich, von Ihm waren bisher noch keine Ausbrüche bekannt. Nun ist Solidarität gefragt, schnell pfeife ich die nächste Strophe durch, bekomme auch umgehend Unterstützung vom Erröteten, und einem weiterem Kollegen. Schön! Die Werkstatt singt. Schade dass meine Kinder nicht hier sind.
Nun bin ich neugierig geworden. Es ist Zeit für Experimente. Ich gehe in das Büro eines Kollegen mit dem ich auch privat befreundet bin und singe in den schönsten Tönen, so viel ich von dem Buslied hin bekomme. Natürlich mit Choreografie, wenn schon denn schon. Er schaut mich völlig entsetzt an, lässt noch nicht mal seine Maus los. Ich bedanke mich und gehe umgehend.
Am nächsten Tag wurde ich schon von meinem Versuchsträger erwartet:
„Wenn du mir noch mal so einen Ohrwurm rein drückst, gibt es Ärger! Den gesamten Feierabend hab ich von irgendeinem Bus gesungen!“
Schön! Wir singen! Kennt Ihr eigentlich Bibi Bloxberg?
Alexander Dippold