„Mein Sohn möchte nicht länger im Chor mitsingen. Er wurde von seinen Klassenkameraden deswegen gehänselt.“ Ich hatte es mir nach einer anstrengenden Chorprobe gerade abends auf dem Sofa gemütlich gemacht, da erreichte mich dieser mütterliche Anruf eines Chorsängers im Grundschulchor. Vielleicht hätte ich – selbst Mutter eines Sohnes, der Fußball spielen auch viel cooler findet als im Chor zu singen – nicht so schnell aufgegeben, aber schon in der nächsten Probe blieb der Stuhl des kleinen Sängers leer. Die Häme seiner Mitschüler hatte mühelos über die Lust am Singen gesiegt. Eine leise Panik stieg in mir auf, denn da saßen im Chor noch zwei peppige Jungs aus der gleichen Klasse, die nun Gefahr liefen, mitangesteckt zu werden. Nur drei Jungen hatten sich in diesem Schuljahr neben 24 Mädchen für den Chor angemeldet und die zwei tapferen Verbliebenen wollte ich auf keinen Fall auch noch gehen lassen. Schnelles Handeln war gefragt.
„Welche männlichen Popstars kennt Ihr denn?“ fragte ich mit einem heimlichen Seitenblick auf die beiden Jungs spontan in die Runde. „Michael Jackson!“ „Crow!“ „Justin Bieber!“ und noch viele andere Namen angesagter Sänger riefen die Kinder mir zu. Die Bewunderung für die musikalischen Stars war deutlich zu spüren. „Und wisst Ihr was?“ sagte ich darauf, „die haben alle in Eurem Alter im Kinderchor gesungen!“ Die beiden Jungs machten bei diesem Satz große Augen. Ein wenig Ungläubigkeit war darin, aber ich erwiderte ihren Blick so fest ich konnte. Ich erwähnte damals noch so ganz am Rande, dass Männer, die gut singen, sich besonderer Beliebtheit beim weiblichen Geschlecht erfreuen und natürlich eine Menge Geld verdienen.
Was soll ich sagen? Der Vorfall ist nun bereits zwei, drei Jahre her, die beiden sind heute in der vierten Klasse und sind beide nach wie vor ziemlich angesagte Sänger im Grundschulchor.
Und ganz unter uns: Ich habe keine Ahnung, ob Michael Jackson und seine Kollegen je die Probe eines Kinderchores besucht haben.
Tania Schneider